VON INFLUENCERN

Im traditionellen TV, also auf Fernsehsendern mit fest geplanter Programmabfolge, überzeugten uns früher in den sogenannten „Werbepausen“ mehr oder weniger namhafte Testimonials von der Attraktivität und dem praktischen Nutzen zahlloser Produkte.

Dabei war den meisten Zuschauern immer klar, dass es sich bei der energisch-sympathischen Klementine, die zum Gesicht für das Waschmittel Ariel wurde, ebenso um eine Kunstfigur handelte wie bei der sanften Tilly, die ihre Hände auf eine fast meditative Weise in Palmolive zu tauchen verstand. Gleiches galt für Frau Antje (Käse aus Holland), Karin Sommer (Jacobs Kaffee) oder Herrn Kaiser (Hamburg-Mannheimer) – die Älteren unter uns erinnern sich. Hinter diesen Werbefiguren standen zunächst eher unbekannte Schauspielerinnen und Schauspieler, die eingesetzt wurden, um Marken zu personalisieren und so mit Handlungen, Emotionen oder beidem zu verknüpfen.

Bald waren auch „echte“ Prominente dazu bereit, für Produkte öffentlich zu werben: noch bis vor kurzem nippelte George Clooney selbstironisch an seinem Nespresso aus der Kapsel und Jan Josef Liefers schob sich mit sichtbarem Genuss die leckeren Schokokugeln von Ferrero Rocher in den Mund. Zugleich war auch hier völlig klar, dass es den Protagonisten mehr um ein finanzielles Zubrot ging als um das öffentliche Bezeugen bisher verborgener Leidenschaften. Der „Deal“ funktionierte trotzdem für alle: die Marken profitierten vom Glanz der gut bezahlten Stars, sie wurden persönlicher, sympathischer, greifbarer und damit für den Konsumenten begehrlicher. Noch mehr Authentizität vermochten nur noch die Unternehmer selbst zu vermitteln, die ihre Marken höchstpersönlich im Spot präsentierten und bewarben wie „Herr“ Dittmeyer (Valensina), Albert Darboven (Idee Kaffee) oder Wolfgang Grupp (Trigema).

Und heute? Heute nutzen insbesondere Menschen unter 30 Jahren ihren TV-Bildschirm fast nur noch dazu, Netflix zu streamen oder zu gamen: Deshalb ist die Werbeindustrie darauf angewiesen, dieses interessante Kundensegment dort auf ihre Marken und Produkte aufmerksam zu machen, wo es sich heute, oft mehrere Stunden am Tag, aufhält bzw. aufhalten lässt: auf Youtube, Instagram, Pinterest und – na gut, vielleicht noch für kurze Zeit – auch auf facebook.

Und es gibt eine Reihe sehr einleuchtender Gründe, warum diese Medienformate sich zu begehrten Werbeplattformen entwickelt haben. Hier sind einige davon:

1. Authentizität und Credibility

Noch hat das world wide web seine Unschuld nicht völlig verloren. Vor allem, weil es nach wie vor jedem, also wirklich jedem, der sich berufen fühlt, die Möglichkeit bietet, sich selbst oder seine Botschaften zu verbreiten – in den meisten Ländern Europas tatsächlich noch weitgehend unzensiert.

Und die sozialen Medien gelten per se als Plattformen, auf denen Menschen wie meine Tochter oder dein Bruder der Welt aufrichtig, ungeschminkt und selbstlos ihre höchst individuellen Überzeugungen, Standpunkte und Präferenzen mitteilen können. Dieser historisch bisher einmalige Popularisierungsprozess geht oft einher mit einer stark vereinfachten Wortwahl und schnellem, auf Vertrautheit und unmittelbares Verstandenwerden setzende Sprache. Das bewirkt, dass Botschaften als spontan, improvisiert und sympathisch wahrgenommen werden. Die unprätentiös und vor allem nicht berechnend wirkende Selbstdarstellung fungiert dabei unausgesprochen als Beleg für Authenzität, und damit für Credibility.

2. Relevanz und Multiplikation

Auch, wenn für manchen You-Tuber, Blogger, Moderator und Redakteur das Posten auf den ersten Blick reiner Selbstzweck zu sein scheint, zielt die Mehrheit natürlich auf eine möglichst weite Verbreitung ihrer Inhalte im Netz ab. Die Anzahl der Follower ist eben auch ein Indiz für die allgemeine Aktualität und Attraktivität der geposteten Themen, und damit ein Indikator für ihre Relevanz in der Netzgemeinde insgesamt. Darum steht die Zahl der Follower auch in unmittelbarer Relation zur Höhe der Honorarforderungen, die der Blogger (die Bloggerin, das Bloggerle, geschenkt) gegenüber seinen Werbepartnern durchsetzen kann. Hinzu kommt: Ein anfangs unbekannter You-Tuber erreicht mit einer Followership von 1 Millionen Menschen eine (virtuelle) Bekanntheit, die ihm Prominentenstatus verleiht. Dieser kann ihm allein schon deswegen weitere Follower zuführen, weil die hinterlegten Algorithmen ein erhöhtes Allgemeininteresse unterstellen und Empfehlungen an Dritte abgeben – so wie es auch bei systemisch ermittelten Themenverwandtschaften geschieht.

3. Interaktivität und Mulitiplizierbarkeit

Ein besonders markanter Unterschied zum klassischen TV ist der Aspekt der Interaktivität. Ich kann nicht nur passiv nach- oder mitverfolgen, was mir geboten wird, sondern unmittelbar darauf reagieren. Ich kann den Beitrag eines Bloggers ansehen (und zwar wann ich möchte), ihn liken, zu meinen Favoriten hinzufügen, kommentieren und bewerten, kurzum: in scheinbar direkte Kommunikation mit dem Blogger treten. Auf diese Weise werde ich zum Teilnehmer eines interaktiven Prozesses, bei dem meine Meinung gefühlt echtes Gewicht erhält. Vielleicht antwortet mir der Blogger sogar direkt und kommentiert meinen Kommentar. Das suggeriert Kommunikation auf Augenhöhe und schmeichelt meinem Ego. Darüber hinaus kann ich Beiträge auch kopieren und über zahlreiche Kanäle verschicken, Links empfehlen oder unterhaltsame Videos weiterleiten. So multipliziert sich eine Werbebotschaft besonders wirkungsvoll und fast von allein, allerdings ohne die zusätzlichen Kosten für hohen Werbedruck. Der Nutzer fungiert als persönlicher und glaubwürdiger Empfehler, was die Kontaktqualität potenziert. Er wird so, wenn auch im bescheideneren Umfang, selbst zum Influencer.

4. Messbarkeit und Agilität

Aus Sicht derer, die Werbespendings verantworten und ihre Wirksamkeit belegen wollen oder müssen, bieten aussagefähige, technikbasierte Analyse-Tools transparente Möglichkeiten der Berechnung, ob und wann das getätigte Invest in Form von Likes, Responses oder sogar Abverkäufen (idealerweise wird direkt in einen Onlineshop verknüpft) wieder eingespielt worden ist. Endlich hat der Werbetreibende die Möglichkeit, konkrete KPI und Conversion-Rates jenseits des nicht immer belastbaren TKP der klassischen Werbung zu monitoren – und das auch noch in Echtzeit! Und wenn es der Schärfung der Botschaft bedarf, weil die Responsen noch nicht überzeugend genug ausfallen, kann der neue Zusammenschnitt eines Videos, ein zügig ausgewechseltes Bildmotiv auf einem Banner oder der schnelle Einbezug aktueller Entwicklungen oder spannender Neuigkeiten im Bruchteil der Zeit erfolgen, die für die Überarbeitung und den Neudruck einer Broschüre notwendig werden würde.

Die neuen Medien bieten also in Summe eine deutliche Intensivierung der Beziehung zwischen einer Marke/einem Produkt und seinem potenziellen Käufer, verbunden mit der Chance, die Marken- oder Produktbindung deutlich zu steigern und Abverkäufe zu forcieren. Produktspezifisch kommt es dann aber darauf an, den jeweils „passenden“ Influencer einzubinden, die jeweils richtige(n) Plattform(en) zu identifizieren, spannende Geschichten zu erzählen und dabei die geeigneten Formate für deren wirkungsvolle Präsentation auszuwählen.

Denn das hat sich seit Harry Wijnfoords TV-Spot für „Weight Watchers“ nicht geändert: auch für die Einbindung von Influencern gilt: nur, wer Menschen emotional berühren kann, hält den Schlüssel zum Erfolg in seinen Händen.

 

Herzliche Grüße,


Euer Tom Eisenlöffel

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